Letzte Sendung beim Super Bowl Warum die Rolle von ran für die NFL nicht romantisiert werden darf

Meinung | Düsseldorf · Am Sonntag überträgt Prosieben beim Super Bowl zum vorerst letzten Mal die NFL. Der TV-Sender und seine Crew haben den Sport in Deutschland definitiv groß gemacht, doch nicht jedem gefiel die oft selbstdarstellerische Art und Weise.

Christoph „Icke“ Dommisch (l) und Patrick Esume stehen auf dem Roten Teppich beim Fotocall im Rahmen des 30-jährigen Geburtstags der Seven.One Entertainment Marke „ran“.

Foto: dpa/Georg Wendt

Als die NFL im vergangenen November erstmals ein Spiel in Deutschland austrug, war das auch Anlass für Patrick Esume, einmal klarzustellen, wer den American Football in Deutschland groß gemacht habe. „Dieses Spiel gehört uns“, erklärte der Football-Trainer und TV-Moderator bei Prosieben bei einer Fan-Veranstaltung in München. „Wir haben den Zirkus hierhergebracht, mit allen zusammen. Deshalb ist das unser Spiel.“

Es war nochmal ein Höhepunkt auf der Abschiedstour von Prosieben, denn die NFL-Rechte gehören ab der kommenden Saison dem Konkurrenz-Sender RTL. Der Super Bowl am nächsten Sonntag wird die letzte Übertragung von Prosieben mit dem Format „ranNFL“ sowie mit Esume und Co. „Die emotionale Trauer hält bis heute an, das lässt sich nicht leugnen“, sagte Sportchef Alexander Rösner der Deutschen Presse-Agentur. Nach Bekanntwerden des Rechtewechsels reagierte Prosieben ein wenig trotzig und packte die NFL fortan jeden Sonntag vom Spartensender Prosieben Maxx ins Hauptprogramm – und Esume stellte in München nochmal klar, warum die NFL in Deutschland inzwischen so beliebt sei.

Leugnen lässt sich der Einfluss von Prosieben natürlich nicht. Die Einschaltquoten haben sich seit Beginn der Übertragungen 2012 stetig verbessert, beim Super Bowl haben sie sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Prosieben und seine NFL-Crew haben Football in Deutschland der breiten Masse zugänglich gemacht und erheblichen Einfluss auf das Wachstum.

„Wer weiß, wo Football heute stände ohne die Kollegen von Prosieben. Bestimmt nicht da, wo wir jetzt sind“, meinte auch Günter Zapf, der seit über 30 Jahren Sport im Fernsehen kommentiert, darunter auch die NFL, weit bevor diese auf Prosieben lief. Im vergangenen Herbst war er im „Steelcast“ zu Gast, einem Podcast des „Steelers Nation Germany e.V.“, dem deutschen Fanclub des NFL-Teams Pittsburgh Steelers. Zapf stellte aber auch klar: „Sie haben es gut gemacht, aber sie haben es nicht erfunden. Sie haben nicht die Sportart groß gemacht, sondern sie haben die Sportart einem Publikum eröffnet, das sonst vielleicht nicht oder erst später dazugestoßen wäre.“

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In diesem Stadion steigt der Super Bowl 2023

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Foto: AP/Matt York

Zapf kritisierte vor allem eines: „Was sie vergessen haben von Anfang an in der Entwicklung: Dass der Sport im Mittelpunkt steht. Das ist der geilste Sport der Welt, der lebt von sich allein.“ Das habe auch die NFL mitbekommen. „Viele wechseln auch, das kriegen wir mit, zu Dazn, weil sie da fachlich besser aufgehoben sind“, führte Zapf weiter aus. „Als Einstieg und um mal die Masse zu kriegen – Hut ab, genial. Aber die Art und Weise ist natürlich für einen richtigen Football-Freak schwierig.“

Zapf sprach damit wesentliche Punkte an, die Football-Fans, die tiefer in der Materie sind, an Prosieben und der Sendung „ran“ immer wieder kritisiert haben. Natürlich ist es bei den komplizierten NFL-Regeln schwierig, eine gute Balance hinzubekommen zwischen Neueinsteigern und denen, die zumindest die Grundsätze verstanden haben. Trotzdem waren die Kommentare teilweise auf sehr schwachem Niveau, zum Beispiel durch hanebüchene Verwechslungen von Spielern oder komplett falschen Bewertungen von Spielsituation. Hier und da war es auch zu aufgesetzt emotional bei recht normalen Spielszenen. Der Grund dürfte sein, dass eben nicht immer der Sport im Mittelpunkt stand, denn an sich verstehen die Kommentatoren natürlich alle etwas davon. Aber es drehte sich eben oft um diese Personen oder alles andere, was so in der Sendung passierte. Nicht nur deshalb vermarkten sich viele Beteiligte inzwischen über Podcasts oder Bekleidungsmarken selbst.

Das wird sogar innerhalb der eigenen Crew kritisiert. Im vergangenen September, kurz nach Bekanntwerden des Rechtewechsels, sprachen auch Carsten Spengemann und Roman Motzkus, seit Jahren als NFL-Kommentatoren in Diensten von Prosieben, im Podcast „Die Pille für den Mann“ über das Thema. „Kollegen von uns kommentieren es ein bisschen so als ‚der letzte Tanz‘, so ein bisschen die Hommage in Anlehnung an – und so groß sollten wir uns echt nicht machen, Freunde – die berühmten Chicago Bulls“, meinte Spengemann da. „Es ist eher so, als wenn die Gummibärenbande ihre letzte Show hat. Ich mag das nicht, wenn man sich selber so groß macht.“

Wer wirklich etwas vom Football versteht und sich vor allem für den Sport interessiert, der schaltet Prosieben schon lange nicht mehr ein, sondern nutzt entweder Dazn oder den Gamepass der NFL, der die TV-Übertragungen aus den USA liefert. Es handelt sich hierbei auch um Fans, die durch den von Prosieben ausgelösten Hype zum Football kamen und irgendwann weiter gingen. Aber eben auch um welche, die der NFL verbunden waren, bevor „ran“ sie in Deutschland bekannter machte. Sei es durch USA-Reisen oder -Bekanntschaften, oder nicht selten auch durch Nähe zu US-amerikanischen Kasernen, oder durch einen Football-Verein in der Nähe. Mit den Frankfurter Löwen wurde 1977 bereits der erste gegründet. Und natürlich lief auch vorher schon NFL im Fernsehen – etwa in der ARD.

Die NFL hat schon in den 1980er-Jahren damit begonnen, den weltweiten Markt zu erschließen, indem Vorbereitungsspiele in London oder Tokio ausgetragen wurden. Im August 1990 fand dann auch die erste Partie in Deutschland statt. 55.000 Zuschauer sahen damals im Berliner Olympiastadion die Partie der Los Angeles Rams und Kansas City Chiefs. Drei Jahre später kamen beim Duell der Minnesota Vikings und Buffalo Bills sogar 67.132 Fans. Es folgte die „World League“, später „NFL Europe“, die ebenfalls zahlreiche Fans in die Arenen lockte. Frankfurt Galaxy und Düsseldorf Rhein Fire hatten zu ihren Hochzeiten um die Jahrtausendwende einen Schnitt von mehr als 30.000 Zuschauern.

Soll heißen: Das Interesse am American Football und der NFL war schon lange vorhanden, Fans der Sportart gibt es schon seit Jahrzehnten. So mancher, der an den Übertragungen von Prosieben beteiligt war, vermittelt jedoch ein anderes Bild und stellt sich damit selbst in den Mittelpunkt und über den Sport. Und wenn Mitglieder der Community, die sich „ran“ aufgebaut hat, in den sozialen Medien Dinge verkünden wie, dass sie bei RTL ohne die jetzigen Moderatoren nicht mehr zuschauen wollen, dann sagt es sehr viel darüber aus, weshalb eingeschaltet wurde. Nämlich weniger wegen des Spiels, sondern eher, um zu sehen, wie Esume einen Spieler als „Honk“ bezeichnet, Jan Stecker davon erzählt, wie er bei Cheerleadern schläft oder die Moderatoren diskutieren, wer wem auf Twitter folgt.

Es sei jedem gegönnt, der das Format mag und es sich seit Jahren jeden Sonntag gerne angeschaut hat. Es hat zweifelsohne zu einem erheblichen Teil zum Wachstum der NFL in Deutschland beigetragen. Doch es hat bei weitem nicht jeden Fan angesprochen und Football in Deutschland auch nicht „erfunden“, wie es Günter Zapf sagte - auch wenn einem der Eindruck hier und da vermittelt wird. Viel zu häufig driftet es in Selbstdarstellung ab. Viele Football-Fans, denen vor allem das Spiel an sich am Herzen liegt, werden aufatmen, wenn Prosieben und seine Crew nach dem Super Bowl - zumindest fürs erste - keine NFL mehr übertragen. Es wird spannend sein zu sehen, welchen Ansatz RTL wählt.

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